
Effiziente Produktion und automatische Rezepturverwaltung – die Vorteile eines maßgeschneiderten Automatisierungskonzeptes.
Die Bamberger Mälzerei GmbH hat alles fest im Blick: Ein neues Prozessleitsystem sorgt ab sofort für Transparenz von der Getreideannahme bis zum Verkauf des Malzes. Die Softwarelösung läuft in Echtzeit, mit einem hohen Standardisierungsgrad. Dank eines durchdachten Modernisierungskonzeptes gelingt es der Mälzerei Kosten einzusparen und gleichzeitig Effizienz und Qualität zu erhöhen.
Seit über 125 Jahren produzieren die Bamberger Mälzerei GmbH und ihr Tochterunternehmen Donau Malz Bamberger Mälzerei GmbH & Co. KG hochwertige Braumalze für Brauereien im In- und Ausland. Der Gesamtausstoß beträgt fast 100 000 t jährlich, wobei in Bamberg 40 000 t im Jahr hergestellt werden. Um Umweltaspekte wie Emissionen, Abfälle, Energie- und Wasserverbrauch zu kontrollieren und erfolgreich zu steuern, wurde 2013 ein Energie- und Umweltmanagementsystem nach DIN EN ISO 50001:2011 und nach
DIN EN ISO 14001:2009 implementiert.
Vom Altbestand zum neuen Konzept
Unser Automatisierungskonzept ist ein wichtiger Baustein im modernen Energiemanagement der Mälzerei mit dem klaren Fokus auf eine nachhaltige Produktion.
Die in die Jahre gekommene Steuerungstechnik erschwerte den energieeffizienten Einsatz von Ressourcen. In der Mälzerei waren seit vielen Jahren Steuerungen verbaut, die anlagenbezogen installiert worden waren und den damaligen Stand der Technik widerspiegelten. Die Kommunikation untereinander oder das Weiterleiten von Daten an die Betriebsleitebene war nicht gewährleistet. Eine Vernetzung der Systeme fand nicht statt. Für die auftragsbezogene Produktion und deren Qualitätssicherung wurden einzelne Softwaretools, wie z. B. Excel, genutzt, deren Handhabung mit einem hohen manuellen Aufwand verbunden war.
Die Anforderungen
Demgegenüber standen die Anforderungen an eine effiziente Produktion mit automatischer Rezepturverwaltung für das Malz: chargenorientierte und zu jeder Zeit nachvollziehbare Abläufe in der Produktion sowie Optimierungspotenzial im Energieverbrauch. Die Daten sollten außerdem in einem Echtzeitsystem jederzeit verfügbar sein. Alle Betriebsdaten sollten erfasst, mit den Produktionsdaten verknüpft, protokolliert und die Prozesse neu visualisiert werden.
„Schon bei den ersten Gesprächen stellte sich heraus, dass die Bamberger Mälzerei GmbH ihre Daten vom Einkauf über die qualitätsgesicherte Produktion bis hin zum Verkauf optimieren wollte“, erinnert sich unser Geschäftsführer Roland Riedl. „Dazu benötigt die Mälzerei Prozessleittechnik und Managementsoftware, die miteinander kommunizieren können und zueinander passen.“
Bestandsaufnahme als Basis
Wie in den meisten über Jahre hinweg gewachsenen Unternehmen wurden auch hier viele Steuerungstechniken in vielen Schaltschränken verbaut. In jedem Winkel des Gebäudes entdeckten wir bei der ersten Bestandsaufnahme Sensoren, Aktoren und Schaltschränke. Die Sichtung der installierten Geräte und Technik, die Prüfung der vorhandenen Dokumentationen, die Klärung von Änderungen und Erweiterungen – all das floss immer wieder in unsere Beratung und Konzeptfindung mit ein.
Der Altbestand der Mälzerei umfasste verschiedene Simatic S5-, GE-Fanuc- und Klöckner-Moeller-Steuerungen. „Das bedeutete, dass nicht nur unterschiedliche Projektierungstools für Änderungen und Erweiterungen benötigt wurden, sondern dass auch Dokumentationslücken Probleme bei der Modernisierung verursachen konnten“, erklärt Riedl. Zwischenzeitliche Umbauten der Anlagentechnik ließen dabei auch ungenutzte Steuerungstechnik zurück.
Zusätzlich war 2015 ein neues Managementsystem, „Agrar21“, installiert worden. Das Softwarepaket ist eine Branchenlösung, die unternehmensspezifische Geschäftsprozesse vom Getreideeinkauf über die Qualitätssicherung der Malzherstellung bis zum Verkauf sicherstellt. Außerdem garantiert sie die notwendige Dokumentation aller Qualitätsparameter. Allerdings werden dazu Daten aus der Produktion benötigt – ein weiteres Argument für die Modernisierung der gesamten Steuerungsinfrastruktur.
Prozessleittechnik mit Durchblick
Unsere Prozessleittechnik dient zum Führen der Anlage, der Prozesssicherung und der Dokumentation. Neben den Simatic-Steuerungen und den Bedien- und Beobachtungsstationen ist auch das zentrale Konfigurationstool für alle Funktionen und Parameter ein integraler Bestandteil. Dabei darf die Anlagentechnik nicht isoliert als Insel betrachtet werden, die Integration in die Betriebsführung muss gewährleistet sein.
Nach eingehender Beratung mit der Bamberger Mälzerei wurde ein durchgängiges prozessleittechnisches Konzept realisiert. Es beinhaltet neben den Hauptanlagen auch die Hilfsanlagen, wie beispielsweise die Betriebsdatenerfassung der Kälteanlage oder die Steuerung der Heißluftzufuhr für die Darren.

Das neue Hardware-Konzept besteht aus modernen Simatic S7-Steuerungen in Verbindung mit Standard-PCs oder staubgeschützten, lüfterlosen Industrie-PCs in der Produktionsumgebung. Alle Geräte sind über Profinet gekoppelt und dienen der zentralen Prozessführung. Profinet (Process Field Network) ist ein offener Industrial Ethernet-Standard, nutzt in der Automatisierung TCP/IP-Protokolle, IT-Standards und ist echtzeitfähig. Zudem haben die in den Simatic-Steuerungen eingesetzten CPU-Baugruppen Schnittstellen für Profinet eingebaut. Damit ist es kostengünstig möglich, im Ethernet zu kommunizieren und das Produktionsnetzwerk mit Agrar21 im Büronetzwerk zu verbinden.
Basierend auf der Standardsoftware Simatic WinCC lieferten wir als Siemens Solution Partner das Prozessleitsystem in Form einer redundanten Client-Server-Lösung. Somit kann bei einem Systemausfall ein zweites, baugleiches System diese Aufgaben übernehmen. Produktivitätsverluste oder gar Produktverluste werden ausgeschlossen. Qualitätsdaten bleiben jederzeit erhalten.
Das Modernisierungskonzept enthält die Standardisierung der Steuerungen, der Softwareprogramme und der Visualisierung. Es umfasst den gesamten Produktionsprozess – von der Waagensteuerung der Annahme bis hin zur Silosteuerung für Getreide und Malz, Darren, Grünmalz und Weichhaus. Das Wichtigste sind dabei die technologischen Funktionen für die speziellen Aufgaben in der Mälzerei: standardisierte Softwaremodule mit parametrierbarer Logik, die für die rezepturgeführten Chargenprozesse optimal geeignet sind.
Eigenständige Bereiche erhalten in dem neuen Konzept bereichsbezogene Steuerungen. Das zentrale Prozessleitsystem schließt dabei die neuen dezentralen Steuerungsstrukturen aller Anlagenteile mit ein.
Außerdem wurden bestehende WinCCApplikationen so erweitert, dass die Bedienung vereinfacht bzw. erst ermöglicht wurde.
Um die Modularität des Prozessleitsystems zu gewährleisten, werden unterschiedliche verfahrenstechnische Bereiche – egal ob klein oder groß – softwaretechnisch gleich behandelt. Die Softwaremodule umfassen dabei standardisierte Programmbausteine. Gleiche Funktionen werden nur einmal programmiert. Somit garantieren Softwareänderungen beispielsweise an einem Silo, Funktionsänderungen an allen Silos. Das spart Zeit, Geld und erhöht die Qualität sowie die Sicherheit der technologischen Abläufe.
Darüber hinaus geben zugängliche Parameter dem Verantwortlichen die Möglichkeit, Anlagen ohne Zutun eines Programmierers zu optimieren. Auf diese Weise kann jeder berechtigte Bediener durch die Visualisierung der Rohstoffwaagen an beliebigen Arbeitsplätzen jeden Auftrag einer Waage zuweisen, Lieferantendaten eingeben oder Zielsilos auswählen.

Fit für die Zukunft
Und das neue Prozessleitsystem kann noch mehr. Durch die technologische Ablaufsteuerung mit Schrittketten, mehrfach verwendbaren Prozeduren und Parametern kann die Bamberger Mälzerei GmbH zu jedem Zeitpunkt im verfahrenstechnischen Ablauf Informationen mit dem Managementsystem in Echtzeit austauschen.

Die eingesetzten Rohstoffe und Malze in den Silos werden zentral in einer Datenbank für die Materialwirtschaft erfasst. Gleiches gilt für die Rezepturverwaltung der unterschiedlichen Malzsorten beim Darren. Egal ob Auftragsliste mit automatischen Startzeitpunkten, Messwertaufzeichnung für alle Anlagenteile oder die Betriebsdatenerfassung aus den Warenflüssen und Produktionsprozessen: Mit dem neuen Prozessleitsystem läuft bei der Mälzerei alles zentral. Das oftmals aufwendige Ablesen und Dokumentieren von Messdaten, das Treffen von Entscheidungen zur Prozessführung oder das Bedienen von Steuer- und Regelgeräten gehört der Vergangenheit an.

Das installierte Prozessleitsystem gibt der Bamberger Mälzerei entscheidende Transparenz bei der Malzproduktion. Es sichert eine gleichbleibende Qualität in der Produktion und ist gleichzeitig die Informationsdrehscheibe mit Schnittstellen zu den Anlagenteilen und zum betrieblichen Informationssystem Agrar21. Ein wichtiger Meilenstein in der Geschichte der Bamberger Mälzerei, der das nachhaltige Energiemanagement erfolgreich abrundet.

