
Mehr Zeit, Flexibilität und Transparenz durch die Modernisierung der Brauerei-Steuerungen.
Bereits seit dem 04. März 1879 steht die Brauerei Spalt unter kommunaler Verwaltung. Mittlerweile ist sie die einzige deutsche Stadtbrauerei und produziert jährlich 70 000 Hektoliter Bier in 20 verschiedenen Sorten.
Die Problemstellung: veraltete Steuerungstechnik
„Die Mitte der 90er Jahre eingebaute Dr.-Anthon-Steuerung machte Probleme und das bereits seit längerer Zeit“, erläuterte Betriebselektromeister Lutz Weigelt und Braumeister Martin Haberkorn. Zuerst behalf man sich noch, indem Ventile überbrückt oder über das Mosaik-Bild von Hand gesteuert wurden. Als sich die Fehler zunehmend häuften, leitete Dipl.-Braumeister Uwe Schulz Ende 2016 die Modernisierung der Steuerungstechnik ein.
„In unserer Brauerei müssen wir – gemäß dem Kommunalrecht – Fünf- bis Zehnjahrespläne führen, die ständig aktualisiert werden“, erklärt der Diplombraumeister. Er empfindet dies als großen Vorteil, weil man so die wichtigen Ziele und kostenintensiven Investitionen nie aus dem Blick verliert und rechtzeitig die passenden Rücklagen schaffen kann.
Es wurden drei Unternehmen mit der Angebotserstellung beauftragt, aber trotz Kommunalrecht musste nicht zwangsläufig der günstigste Anbieter den Zuschlag erhalten, sondern der, dessen Konzept am stimmigsten war.
Die Bestandsaufnahme
„Wir waren in der ersten Phase der Angebotserstellung, der Bestandsaufnahme, sehr häufig in Spalt“, erinnert sich unser Geschäftsführer Herr Riedl. Im Gegensatz zu großen Konzernen muss ein kleines Unternehmen eher darauf achten, dass das veranschlagte Budget für das Projekt ausreicht. Zumal es bei einem Umbau immer wieder Überraschungen oder Informationslücken gibt, wie zum Beispiel die Anschlüsse alter Sensoren und deren Signalübertragung. „Klärt man diese vorher nicht ab, kann es passieren, dass die Baugruppen der neuen Steuerungsanlage nicht zu den Sensoren passen.“ Eine Dokumentation, die den Stand der Anlage tatsächlich abbildet, gab es in Spalt leider nicht. Deshalb nutzen wir die Bestandsaufnahme, um Transparenz zu schaffen und Unklarheiten zu beseitigen. „Erst wenn wir wissen, dass unser Konzept technisch passt und umsetzbar ist, garantieren wir den Preis, den wir anbieten – so auch in Spalt.“
Das Automatisierungskonzept
Unser Konzept besteht aus einem neuen, zentralen Siemens Industrie PC (IPC), mit RAID1-System. RAID steht für „Redundant Array of Independent Disks“, also „Redundante Anordnung unabhängiger Festplatten“ und beinhaltet zwei Festplatten für die Datensicherheit. Als Steuerung ist eine SIMATIC S7-300 Steuerung mit CPU 317 und Ethernet-Anschluss zur Kommunikation mit dem IPC eingesetzt. Zusammen bilden sie die Basis für unsere Prozessleittechnik. Mit dem Visualisierungssystem SIMATIC WinCC und den planemos-Technologiefunktionen wird die Parametrierung und Bedienung in der Brauerei transparenter.
Ein weiteres Ziel des Konzeptes war es, die bestehenden Antriebe zu erhalten und mit wenigen Umbauten auf Stand zu bringen. Dabei handelte es sich unter anderem um Motorregler – über 20 Jahre im Einsatz, extrem robust und fehlerfrei. Leider jedoch mit eher ungenauen Rückmeldungen. Zeigt der Motorregler an, er sei zu 100 % offen, kann das stimmen, er kann aber auch zu nur 80 % offen sein.
Alle Automatisierungsobjekte, Schrittketten und Prozeduren werden mit einer zentralen Konfigurationssoftware erstellt. WinCC liefert die Infrastruktur, das Meldesystem, die Datenarchivierung und die Messwertanalyse. All diese Standardfunktionen sind im Updateservice von Siemens enthalten und bieten Investitionssicherheit. Ein möglicher Lieferantenausfall – wie im Falle der Dr.-Anthon-Steuerung – ist daher nicht gegeben, die Brauerei gewinnt langfristig Sicherheit in der Ersatzteilbeschaffung.
Die Umsetzung
Die intensive Recherche während der zweiwöchigen Bestandsaufnahme brachte so manch kritisches Thema auf. Ursprünglich war die Brauerei mit einer S5-Steuerung automatisiert, die Mitte der 90er von einer Dr. Anthon-Steuerung abgelöst wurde. Hier wurden Schrittabläufe und Rezepte mit MS-DOS parametriert. Doch die Elektropläne basierten noch auf der ursprünglichen S5-Steuerung und den damaligen Bezeichnungen. Mit der Dr.-Anthon-Steuerung und der InTouch-Visualisierung wurden zusätzlich neue Bezeichnungen eingeführt, so dass bis zu drei Namen für ein und dasselbe Objekt vorhanden waren. Regelfunktionen mussten mit einer parallel arbeitenden S7-Steuerung realisiert werden, da die Dr.-Anthon-Steuerung dafür nicht geeignet war. „Wir hatten drei Systeme, die mit- und gegeneinander arbeiteten“, schmunzelt Elektromeister Weigelt.
Seinem Wunsch entsprechend, sollten außerdem bestehende Schaltschränke weiter genutzt werden können. Das Fünf-Geräte-Sudhaus in Spalt erstreckt sich auf über fünf Stockwerke. Und jedes davon hat mindestens einen Schaltschrank, in den die Busleitungen als zweiadriges Kabel hineingeführt werden mussten. Die Auswahl der Busteilnehmer war aufwendig, denn jede Signalbaugruppe musste in den entsprechenden Schaltschrank passen. Zusätzlich sollte die Anzahl der Baugruppentypen so gering wie möglich gehalten werden. Der Bestand umfasste mindestens 40 Klemmen pro Schaltschrank. Das bedeutete, dass Weigelt Kabel für Kabel, Ader für Ader, jede Anschlussklemme prüfen und bezeichnen musste. Viel Arbeit, aber notwendig für die Vorbereitung der neuen Anlagenprojektierung und die Erstellung einer neuen Dokumentation.
Das Ergebnis:
„Alles in allem ist die Arbeit jetzt deutlich leichter“, freut sich Weigelt. Vorher gab es einen Schaltschrank mit 2 000 Klemmen. Sämtliche Funktionen, die intern schalten mussten, liefen über Relais. Jede Menge Fehlerquellen und jede Menge Verzweiflung bei der Fehlersuche. Dank der Modernisierung profitieren wir jetzt von einer geringeren Lagerhaltungsstückzahl und weniger Fehlermöglichkeiten. Außerdem konnten die alten NERB-Magnetventile, die mit geölter Luft betrieben wurden, aus dem Schaltschrank verbannt werden. Sie wurden durch Bürkert-Ventilinseln mit Profibusanschaltung ersetzt. Folglich entfiel hier die komplette Einzelverdrahtung der alten Ventile.

Nach der Inbetriebnahme und der Einarbeitung der Brauer durch unser planemos-Team kam der große Moment: Die Brauer machten ihr „erstes“ Bier. Braumeister Haberkorn war und ist von dem relativ einfachen Handling begeistert. Er kann nun überall eingreifen, spart wertvolle Arbeitszeit und wird folglich deutlich flexibler. Während die Brauer sonst um 03:00 Uhr ihre Schicht begonnen haben, starten sie jetzt um 05:00 Uhr. Ein klarer Vorteil, schließlich können durch das neue System gleich mehrere Sude eingegeben werden. „Man merkt, dass die Technik heutzutage viel weiter ist“, sagt Haberkorn. Das Programm läuft schneller, die Automatik läuft weiter und stoppt nicht, wie das alte System. Sieben bis 15 Minuten Zeiteinsparung pro Sud, somit mehr Sude pro Tag und mehr Zeit, die für andere Tätigkeiten genutzt werden kann. Auch für weitere Zeiteinsparung wurde gesorgt: Eine neue Messtechnik der Firma Hengesbach wurde mit eingebaut, um die Reinigung der Gefäße und Leitungen zu optimieren.
Technologie als Wettbewerbsvorteil
„Die Technik heutzutage hat noch andere Vorteile“, erläutert Dipl.-Braumeister Schulz: „erhöhte Planungs- und Betriebsablaufsicherheit sowie zum Beispiel eine vereinfachte Ersatzteilbeschaffung. Bauteile können leichter integriert werden, die neu erstellte Dokumentation macht die Brauerei autark. Das Automatisierungssystem hilft bei der Weiterentwicklung der Biere, bei der Verbesserung der Brau-Abläufe und dabei, mehr Energie einzusparen.“ Schulz ist stolz darauf, im Jahr mit zwei Tonnen Dampf auszukommen. „Wärmerückgewinnung war bei uns schon immer ein großes Thema“, merkt er an. „Schon 1930 gab es Vorwärmer in der Spalter Brauerei“.

Die Spalter Brauerei ist jetzt noch transparenter als zuvor. „Als Stadtbrauerei müssen wir das auch sein. Wir haben schließlich noch fast 5 000 private „Mitarbeiter“, unsere Spalter Bürger, denen das Wohl der Brauerei sehr am Herzen liegt“, lächelt Weingart. Die Stadtbrauerei Spalt veranstaltet viele Feste, Brauereiführungen und Bierseminare. Diese Offenheit und die enge Bindung mit dem Endverbraucher ist absolut gewollt. Denn es ist der Endverbraucher, der über den Erfolg der Spalter Biere bestimmt. „Mit der neuen Steuerung, sozusagen der neuen Herzkammer für unser Sudhaus, können wir jetzt noch einfacher den Wünschen unserer Kunden entgegenkommen“, freut sich Weingart. Er ist von der Umsetzung des Steuerungsprojektes begeistert – nicht nur aus Vertriebssicht. Die Schnelligkeit, mit der das Projekt realisiert wurde, nämlich 7 Wochen nach Auftragserteilung, findet er nach wie vor beeindruckend. In seiner Funktion als Geschäftsführer begeisterte ihn natürlich auch die Einhaltung des Kostenrahmens: „Wenn wir in Spalt, also in Franken, jemanden loben, sagen wir „Bassd scho“. Hier müssen und wollen wir allerdings sagen: Vielen Dank, planemos, für die geleistete, hervorragende Arbeit. Wir freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit“.

